Meldungen aus dem Landesverband Saar
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Drama in Büschdorf vor 80 Jahren

Drei Generationen erzählen

Drei Männer unterschiedlichen Alters nebeneinander am Tisch, vor ihnen liegen Bücher und Dokumente

Drei Generationen (v.l.n.r.): Armin Reuter, Vater Rudolf Reuter und Sohn Stefan Reuter Saarbrücker Zeitung/Dieter Ackermann

Am 28. April 2025 veröffentlichte die Saarbrücker Zeitung den untenstehenden Bericht, der Erlebnisse der Familie Reuter aus Perl-Büschdorf im Jahr 1945 aufgreift. Mit Genehmigung des Redakteurs Dieter Ackermann dürfen wir ihn hier veröffentlichen, da Armin Reuter seit vielen Jahren Delegierter unseres Landesverbandes ist. Vielen Dank dafür!

Bei den aufwühlenden Erinnerungen an den 27. April 1945 muss Armin Reuter immer wieder innehalten. Obwohl damals vor auf den Tag genau 80 Jahren das lokale Kriegsgeschehen das 200-Seelen-Dorf Büschdorf bereits „überrollt“ hatte, fielen sein Großvater Viktor Reuter (37) und dessen elfjähriger Sohn Josef Reuter noch dem wenige Tage später beendeten zweiten Weltkrieg zum Opfer. „Außerdem verlor an diesem Tag auch noch der 15-jährige Spielkamerad Gottfried Steffes durch eine explodierende Mine sein Leben“, mühsam kämpft der Büschdorfer, der sich seit rund 20 Jahren als Delegierter des Kreises Merzig-Wadern für den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge (VDK) engagiert, mit den hochkommenden Emotionen. Im SZ-Gespräch wird dabei das ganze Drama des zu Perl gehörenden Dorfes auf ebenso erschreckende wie berührende Weise nachvollziehbar.

Mit am Tisch dieses drei-Generationen-Hauses in Büschdorf sitzen noch der im Kriegsjahr 1941 geborene Vater Rudolf Reuter und Armin Reuters Sohn Stefan Reuter (19). Alle drei treffen wir ganz in der Nähe des bei Kriegsende völlig zerbombten und inzwischen längst wieder aufgebauten Hauses der Familie. An diesem Wochenende werden die Gedanken des Trios zwangsläufig immer wieder um das dramatische Geschehen in Büschdorf vor 80 Jahren kreisen, dem sich Armin Reuter seither bei der Lektüre zahlreicher Bücher und Aufzeichnungen intensiv gewidmet hat. Mit seinen und seines Vaters Erzählungen vermittelt er uns einen ergreifenden Eindruck von den letzten Kriegstagen in seinem Heimatdorf, das wie kaum ein anderes unter dem Zweiten Weltkrieg gelitten hat.

Armin Reuter erinnert zunächst daran, dass die Büschdorfer schon unmittelbar vor Kriegsbeginn von den damaligen Behörden wegen der Grenznähe zu Frankreich nach Mecklenburg-Vorpommern evakuiert worden sind. Als dann später die deutsche Wehrmacht mit ihrem „Blitzkrieg“ Frankreich überfallen habe, durften die Menschen wieder zurück nach Büschdorf. Aber mit dem Vordringen der alliierten Streitkräfte nach der Normandie-Invasion in Richtung Deutschland habe sie das infernalische Kriegsgeschehen im April des Jahres 1945 wieder eingeholt. Reuter: „Ab November 1944 arteten die Kämpfe um den Orscholzriegel zu einer großen Materialschlacht aus, als eine US-Infanteriedivision und eine US-Panzerdivision bei uns den letzten Widerstand der Wehrmacht brechen wollten.“

Tagelang hätten die Deutschen und die Amerikaner dann in der Weihnachtszeit Büschdorf beschossen, je nachdem welche Truppen gerade den Ort besetzt hielten. Vor diesen Kriegswochen seien die Büschdorfer nach Hemmersdorf und Niedaltdorf evakuiert worden. Die Amerikaner sammelten die Einwohner ein und fuhren sie mit ihren Lkw dorthin. Nachdem dann unzählige Bomben und Granaten das Dorf dem Erdboden gleichgemacht hatten und sich die Front endlich in Richtung Osten verlagert hatte, erkundeten einige Bürger vorsichtig die Lage im zerstörten Heimatdorf. Reuter: „Sie fanden nur noch Trümmer und verendetes Vieh. Besonders gefährlich waren dabei die immer noch vorhandenen scharfen Minen sowie nicht explodierte Bomben und Granaten.“

Beim brandgefährlichen Beseitigen dieser Überbleibsel eines immer noch nicht beendeten Krieges hätten sich die Dorfbewohner dagegen gewehrt, diese Munition an Ort und Stelle zu sprengen. Hiergegen liefen die Ortsbewohner Sturm, befürchteten sie doch weitere Schäden an ihren Häusern. Auf Vorschlag des Pfarrers habe sich das Dorf darauf verständigt, alles vorsichtig einzusammeln und in einem nahen Wäldchen zur Explosion zu bringen. So seien diese Kriegsrelikte tagelang mit Pferdekarren in dieses Wäldchen gekarrt worden. „Am 27. April 1945 kam es dabei zur Katastrophe. Die gewaltige Explosion der eingesammelten Minen riss an diesem Tag vor genau 80 Jahren Viktor und Josef Reuter sowie Gottfried Steffes aus dem Leben.“

Still zeigt Reuter uns die originalen Totenbriefe von damals. Darin heißt es unter anderem: „Zum frommen Andenken an mein herzlichstes Kind, Brüderchen, Enkel, Neffen, Vetter und Patenkind Josef Reuter, der im Alter von elf Jahren mit seinem Vater in die Ewigkeit ging.“ Und: „Landwirt Josef Reuter wurde am 27. April 1945 durch ein Minenunglück im Alter von 37 Jahren nach dreizehneinhalb-jähriger überaus glücklicher Ehe mit seinem Söhnchen Josef jäh aus unserer Mitte gerissen.“

Nach einer fast zwangsläufigen Pause beantwortet Armin Reuter uns noch die fast schon durch die geschilderten Erinnerungen beantwortete Frage, wie es zu seinem langjährigen Engagement für die Kriegsgräberfürsorge gekommen ist. Vor vielen Jahren habe ihn einmal bei einer Urlaubsfahrt mit seiner Frau an den Gardasee ein deutscher dort vom VDK betreuter Kriegsgräberfriedhof zutiefst beeindruckt. „Seither versuche ich im Rahmen meiner Möglichkeiten die segensreiche Arbeit dieser Organisation zu unterstützen.“ Und bei dieser Arbeit habe er auch schon bei der Suche nach im Krieg vermissten eigenen Verwandten Erfolge verzeichnen können. So habe er unter anderem herausfinden können, dass sein Verwandter August Ollinger, der als Wehrmachtsgefreiter seit 1944 bei Jassy (Rumänien) als vermisst galt, im russischen Gefangenenlager Tscherepowez 5091 am 2. November 1945 einer Herzschwäche und Unterernährung erlegen war. Reuter: „Und diese Suche muss weitergehen, weil noch unendlich viele Kriegsopfer vermisst werden.“

Text: Dieter Ackermann, Saarbrücker Zeitung

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